Enclave SpielDie reiche Oberschicht hat sich also eine Paralleldimension geschaffen, in der es sich sorglos leben lässt. Dass dabei zwei Drittel der Menschheit umgekommen sind und ganz nebenbei die gute alte Erde mehr oder weniger unbewohnbar wurde, stört die feinen Herren anscheinend nicht sonderlich. Das ist die Situation, in die uns „Enclave“ von Krzysztof Wolicki entlässt.

 Selbstverständlich dürfen wir Spieler uns nicht zu jenen feinen Herren zählen, die in Saus und Braus fernab der verseuchten Erde Champagner schlürfen. Wir sind vielmehr Teil der wenigen Überlebenden, die von der Hand in den Mund leben und heute nicht wissen, was wir morgen essen werden. Wahrscheinlich gegrillte Kanalratte oder ähnliche Delikatessen.
Damit das nicht auf ewig so bleibt, haben wir uns überlegt, könnten wir doch einfach auf – selbstverständlich riskanten und vor Fallen strotzenden – geheimen Wegen in die Welt der Schönen und Reichen eindringen, um uns dort mit allerlei Firlefanz auszustatten, der uns zu überleben hilft.
Dies ist nicht nur Teil der düsteren postapokalyptischen Hintergrundgeschichte des Spiels, sondern zugleich eine der sechs möglichen Spielaktionen, die wir durch Arbeitereinsatz auslösen können. Als Belohnung locken Maschinen und/oder Biotechausrüstung, die unsere physischen und psychischen Abwehrkäfte für künftige Missionen verbessert, sowie Geld, Technologieplättchen, die sich auf einer Reise zum Lebensbaum (ebenfalls eine Arbeiteraktion) in notwendige Siegpunkte eintauschen lassen. Besonders gefährliche Missionen belohnen einen erfolgreichen Abenteurer mit grünen Baumplättchen, die den sofortigen Spielsieg bedeuten, sollte es einem Spieler gelingen, dreier dieser Raritäten habhaft zu werden. Zugegebenermaßen dürfte das in den seltensten Fällen gelingen, sofern die Mitspieler aufpassen.
Die anderen Aktionen erlauben uns, auf dem Markt Geld/Technologien einzuheimsen, in der Apotheke einzukaufen (dauerhafte Biotechverbesserungen oder einmalig verwendbare Heilmittel), in der Werkstatt Verbesserungen unserer mechanischen Hilfsmittel oder Schutzkarten zum Überleben der Fallen zu erwerben oder beim Orakel die Spielerreihenfolge anzupassen.
Soweit, so bekannt. Was Enclave neben der wunderschönen düsteren Grafik aus der Masse der Personaleinsatzspiele heraushebt, ist eine kurze Phase vor dem eigentlichen Arbeitereinsatz, in der die Spieler, beginnend mit dem aktuellen Startspieler und dann im Uhrzeigersinn folgend, Prioritätsplättchen auf die einzelnen Aktionsfelder legen, um damit die Reihenfolge festzulegen, in der die Aktionen nach dem Einsetzen der pro Spieler vier Arbeiter ausgelöst werden. Die durchdachte Durchführung dieser Phase kann entscheidend für den Spielsieg sein und sorgt zusammen mit der verdeckten Auswahl der Aktionen und davon abhängender Spielerreihenfolge innerhalb der einzelnen Aktionen für ein gehöriges Maß an Ärgerpotential und taktischer Herausforderung. Diese starke indirekte Interaktion macht vergessen, dass im Großen und Ganzen jeder für sich an der Optimierung seines Spielertableaus und seines Weges zum Ziel arbeitet. Nach gerade einmal sechs Runden ist unser Ausflug in die Postapokalypse beendet und ein Sieger gekürt, sofern das Spiel nicht durch einen sofortigen „Baumsieg“ (s.o.) beendet wird.
Fazit:
Enclave ist ein anspruchsvolles Personaleinsatzspiel, dass das Rad zwar nicht neu erfindet, aber durchaus einige ungewöhnliche Ideen in dieses Genre bringt. Zusammmen mit der tollen Grafik und Ausstattung sorgt es für zwei spannende Stunden, in der die Spieler von Runde zu Runde zu Entscheidungen gezwungen werden, die die Zeit wie im Fluge vergehen lassen. Enclave ist zwar kein Schwergewicht vom Kaliber eines  Agricola, aber definitiv ein Spiel, dass eher Vielspieler als Gelegenheitszocker begeistern wird. Zu zweit würde ich es nicht unbedingt spielen wollen, aber zu dritt und in Vollbesetzung empfehlenswert. In unserer Runde kam es sehr gut an und wird gewiß wieder auf dem Tisch landen.
Anmerkung:
Auch wenn ich voll des Lobes für diesen Ausflug in eine ungewöhnliche dystopische Zukunft bin, die mir so als Thema im Spiel noch nicht untergekommen ist, will ich nicht verschweigen, dass die deutsche Regelübersetzung katastrophal ausgefallen ist.Ich frage mich ernsthaft, ob der Übersetzer mit google translate oder babelfish gearbeitet hat. Die englische ist wenigstens soweit verständlich, dass man sich alle anfallenden Fragen damit beantworten kann. Hier muss der Verlag unbedingt nachbessern, denn bei aller Liebe zu unseren Nachbarn bezweifle ich, dass das Gros der deutschen Spieler des polnischen mächtig ist.
Enclave
Spieler: 2-4
Dauer: ca. 90 – 120 Minuten
Autor: Krzysztof Wolicki
Verlag: G3

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