Willkommen zurück zu unserem TI3 Review. Im ersten Teil haben wir uns mit dem Ausblick auf die Technologien verabschiedet und denen werden wir uns nun als erstes widmen. Jedes Volk besitzt einen identischen Satz an 24 Technoligiekarten. Damit nicht alle Spieler die selben starken Technologien entwickeln, haben sich die Autoren einen durchaus ausgeklügelten und ausgeglichenen Technologiebaum überlegt. Zudem startet jedes Volk mit zwischen einer und drei verschiedenen Starttechnologien. Grundlegend werden die Technologien in vier verschiedene Bereiche eingeteilt, namentlich Antriebs-, Waffen-, Bio- und Nanotechnologien. Will ein Spieler unzweifelhaft starke Technologien aus einem bestimmten Technologiestrang entwickeln, benötigt er dafür üblicherweise mehrere Bedingungstechnologien aus meist mehreren Kategorien. So erlauben es die Transitdioden beispielsweise als Aktion bis zu vier Bodentruppen zwischen verschiedenen eigenen Planeten hin- und her zu beamen, ohne dafür Systeme aktivieren zu müssen oder Carrier einzusetzen. Um diese jedoch entwickeln zu dürfen, braucht der Spieler insgesamt acht andere Entwicklungen aus allen vier Technologiesträngen. Dies verhindert einerseits Extremstrategien, ermöglicht andererseits wahre Spezialisierungen hinsichtlich der Soft Skills des eigenen Volkes. Das ist insofern gefällig, als man aus zu vielen Spielen die Situation kennt, dass eine bestimmte Technologiekombination so stark ist, dass alles andere als eine Art Nebenprojekt angesehen wird. Twilight Imperium 3 umschifft dieses Problem elegant durch die Kombination der verschiedenen Technologiebäume im Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Fraktionen, die den Spielern zur Verfügung stehen:
Die Völker in Twilight Imperium:
Um den verwaisten Thron des Imperators streiten sich im Grundspiel zehn verschiedene Fraktionen, von denen ein jedes seine eigenen Stärken und Schwächen mitbringt. Dabei handelt es sich um
- Die Baronie von Letnev, die größere und – genügend Trade Goods vorausgesetzt – stärkere Flotten haben kann als die Konkurrenz,
- Die Föderation von Sol, die die Galaxis mit kostenlos mit Bodentruppen schwärmen darf. Der Mensch vermehrt sic halt gern,
- Die Universitäten von Jol-Nar, deren Flotten schwächeln, die aber schneller und günstiger als alle anderen an Technologien kommen, um dies auszugleichen,
- Die Mentak Koalition, deren schnelle Piratenflotten sich an den Handelsgütern anderer bereichern,
- Das L1X1T Mindnet, Roboter, deren große Kriegsschiffe günstiger und stärker sind, während ihre Bodentruppen besser feuern als ihre Gegner aus Fleisch und Blut
- Das Naalu Kollektiv, telepathisch begabte Außerirdische, die immer zuerst ziehen und sich jederzeit schon vor Kämpfen zurückziehen und somit sammeln dürfen,
- Die Stämme der Yssaril, welche anderer Spieler Kartenhände ausspähen und durch „Zwischendurchpassen“ immer zum rechten Moment zuschlagen können,
- Die Emirate von Hacan, Händler ohne gleichen, die anderen Völkern jederzeit ihre Bedingungen diktieren und daher unermesslich reich sind,
- Die Sardakk N’orr, insektenartige Aliens, die noch jeden im Kampf überwältigt haben (+1 auf alle Würfe), sei es im All oder am Boden,
- Das Königreich von Xxcha, das als älteste der interstellaren Zivilisationen gehörigen politischen Einfluss hat und über mächtige defensive Schilde im Kampf verfügt.
Wie man sieht, divergieren die spezifischen Eigenschaften von Fraktion zu Fraktion stark, aber nach wie vor herrscht in freispiels Umgebung das Gefühl vor, dass hier sehr vorsichtiges und ausgezeichnetes Balancing vorliegt. Die Spielregel, die besagt, dass die Fraktionen zufällig zugeteilt werden sollen, ist ausnahmsweise mal sinnvoll. Normalerweise führt der geneigte Vielspieler ja doch recht bald eine Hausregel mit Auktionssystem ein (wie in Terra Mystica und anderen), um sich selbst ans Balancing zu setzen. Diese verlagsseitige Schwäche tritt im vorliegenden Spiel wirklich nicht auf. Chapeau, Fantasy Flight Games!
Zugleich sorgen die völkerspezifischen Sonderregeln natürlich dafür, dass jeder Spieler seine begrenzten Ressourcen während der Technologieaktion am liebsten auf Dinge verwendet, die den Spielstil seines Volks noch unterstützen. Von den Universitäten von Jol-Nar vielleicht abgesehen.
Fazit:
Disclaimer! Vor dem Fazit muss klargemacht werden, dass die Erfahrungen des Rezensenten sich auf eine einstellige Anzahl Spiele beziehen. Das machen wir üblicherweise eher nicht, haben wir doch alle schon allzu viele Spiele gezockt, die auf den ersten Blick großartig schienen, sich dann aber als zu repetetiv entpuppten, um wirklich empfohlen werden zu können.
Schon die erste Partie TI3 jedoch war eine Überraschung der besonderen Art: Jeder kennt doch das Gefühl, auf einen Film, einen Roman, ein Spiel, ein wasauchimmer voll Vorfreude gewartet zu haben, nur um am Erscheinungsdatum (evtl. sogar wegen der Erwartungshaltung) enttäuscht zu werden. Ich habe Jahre auf TI3 gewartet. Nicht, dass dieses Spiel angekündigt gewesen wäre, ohne je zu erscheinen. Es existierte ja längst. Aber die US-Importpreise haben dann doch ein ums andere Mal zurückschrecken lassen. Long story short: Glück gehabt bei einer Ebay-Auktion auf ein OVP-Exemplar. Die über die Jahre geschürten Erwartungen wurden erstaunlicher Weise von der ersten Partie noch übertroffen. Das war eine Vierspielerrunde, die sich aufgrund der nur theoretischen Regelkenntnis im erwartbaren Rahmen in die Länge zog. Nach sechs Stunden Höchstkonzentration ging jemand als Sieger hervor (Glückwunsch an meepelchen) und alle Beteiligten waren wegen der vorangeschrittenen Stunde überrascht, ja, lobten das Spiel gar ob seiner Kurzweiligkeit. Erneut: Chapeau!
Was mich besonders begeistert hat, ist der Fokus auf die Interaktion. Nicht die vom Regelgerüst vorgegebene im Sinne der Kämpfe, der Abwägung zwischen Primär- und Sekundäraktion einer Strategiekarte (ja, man lässt gern mal eine eigentlich benötigte liegen, weil man weiß, dass ein anderer Spieler mit deren Sekundärfähigkeit mehr anfangen könnte), sondern den Diplomatie-/Politikcharakter des Ganzen. Einerseits sind da die Politikkarten, die in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Abstimmungen verursachen, bei denen schwierige Mehrheitsbildungen häufig ähnlich nötig sind wie im UN-Sicherheitsrat, vor allem fordert die eigene Entfaltung andererseits permanentes Engagement in variierenden Allianzen. Ich gegen alle Anderen funktioniert in diesem Spiel einfach nicht. Das ist für mich der Kern und hauptsächliche Reiz des Spiels. Wäre Zeit eine unbegrenzte Ressource, würde künftig an Abenden für komplexe Strategispiele wohl fast nur noch Twilight Imperium auf den Tisch kommen. Da dem nicht so ist, bleiben Rune Wars, Eclipse, Terra Mystica und all die anderen aber wahrscheinlich auch weiterhin gern gesehene Gäste. Für diejenigen, denen das ganze irgendwann zu vertraut vorkommt, liegen dem Spiel mit den Optionen auf Anführer und „entfernte Sonnen“ übrigens auch gleich noch zwei kleine Erweiterungen bei, die hier aber bislang ungespielt sind.
Twilight Imperium (Third Edition)
Spieler: 3-6
Dauer: 240-360 Minuten
Autor: Christian T. Petersen
Verlag: FFG
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